Pionierflora der Dünen
Die Niederung der unteren Mittelelbe ist eine Landschaft von Gegensätzen. So steht etwa den wasserreichen Elbvorländern der extrem trockene Lebensraum der Dünen gegenüber.
Nach der letzten Eiszeit, vor etwa 10.000 Jahren, wehte der Nordostwind den Sand aus dem noch unbewachsenen Elbtal zusammen und türmte die bis zu 30 Meter hohen Dünen auf. Das größte zusammenhängende Dünengebiet im niedersächsischen Elbtal befindet sich im rechtselbisch gelegenen Amt Neuhaus. Bis vor etwa 200 Jahren waren diese Dünen weitgehend unbewaldet und bestenfalls mit einer niedrigen, extrem lückigen Vegetation bewachsen. Die Randbereiche der Dünen waren in Folge der jahrhundertlangen Streunutzung sowie der Beweidung durch Schafe und Ziegen von halboffenen Heiden geprägt.
Sandverwehungen bedrohten damals ganze Siedlungen und Ackerflächen. Um den wandernden Sand festzulegen, entstanden unter preußischer Federführung ab 1860 die heute landschaftsprägenden, mehr oder weniger lichten Kiefernwälder.
Einzig im Bereich der Stixer Wanderdüne ist der Dünensand auf einem Areal von ca. 9,5 ha noch in Bewegung. Nur wenige Pflanzenarten vermögen hier der Nährstoffarmut, dem Wind und der Trockenheit sowie den extremen Temperaturschwankungen zu trotzen. Sie haben sich auf faszinierende Weise an den Lebensraum Sanddüne angepasst.
Zu ihnen gehört etwa der Frühlingsspark, ein kleines, unscheinbares Pflänzchen. Im Frühjahr kommt es rasch zur Samenreife, bringt und stirbt danach ab. Auch der Bauernsenf, die Frühlingssegge oder das seltene Ohrlöffel-Leimkraut sind an solche Bedingungen angepasst. Häufig enden ihre Lebenszyklen schon, bevor es im Sommer richtig heiß werden kann. Wahrlich widerstandfähig sind die typischen Gräser, die zu den sogenannten „Rohbodenpionieren“ gehören und unempfindlich gegen Übersandung sind.
Zu ihnen gehört das Silbergras, welches in weiten Bereichen als Erstbesiedler offener Sandflächen das Bild der Dünenlandschaft bestimmt. Die Samen dieses ausdauernden Grases keimen dort schnell aus. Zwischen den blaugrünen, niedrigen Büscheln des Silbergrases sieht man, wie auf einer Schnur aufgereiht, die meterlangen Ausläufer der Sandsegge. Im Schutz dieser Pflanzen können Moose und Flechten Fuß fassen. Oft sieht man am Grunde der Silbergrasbüschel die Trichter von Ameisenlöwen. Auch die Heidelerche, die in den sandig-trockenen Dünengebieten ein Hauptvorkommen hat, baut ihre Nestmulde in den warmen Sand.
Doch nur, wenn Sanddünen in Bewegung bleiben, sie nicht zuwachsen und ihnen z.B. durch gelegentliche Beweidung Nährstoffe entzogen werden, können sie auf Dauer erhalten bleiben.