Pionierflora der Elbufer
Im Biosphärenreservat sind die unmittelbaren Elbufer meist nur gering verbaut. Ihre sandigen oder schlammigen Uferbereiche sind bei Hochwasser überstaut und nass, bei Niedrigwasser trocken. Der ständige Wechsel sorgt dafür, dass sich hier floristische Kostbarkeiten finden, die außergewöhnlich gut an ihren Lebensraum angepasst sind.
Erst, wenn das Wasser im Hochsommer und Herbst allmählich abgesunken ist und die Elbufer trockenfallen, beginnen die Pflanzengesellschaften ihre oberirdische Entwicklung auf dem reinen Sandboden. Da sie an diesem noch vegetationsfreien Standort die ersten sind, tragen sie den Namen „Pionierpflanzen“. Kommt es in manchen Jahren jedoch zu langzeitig hohen Wasserständen, können sie ganz fehlen, oder es kommt nur zu einer kleinflächigen Ausbildung von Pionierfluren.
Nicht nur zeitlich, auch räumlich müssen die Pflanzen flexibel auf ihren wechselhaften Lebensraum reagieren. Durch die ständige Wasserbewegung können Uferpartien erodieren, wodurch Lebensraum verloren geht. Andererseits kann Sandboden auch sedimentieren, wodurch Lebensraum hinzugewonnen wird. Die Vegetationskomplexe müssen sich also von Jahr zu Jahr an neuen Stellen bilden und setzen sich häufig aus ständig wechselnden Pflanzenarten zusammen.
Typischerweise keimen, blühen und fruchten die Pionierpflanzen innerhalb sehr kurzer Zeit – wenn das Elbufer frisch trockengefallen ist, muss es schließlich schnell gehen, bevor das nächste Hochwasser kommt.
Im Spülsaumbereich sind oft kleine, unscheinbare Arten wie Igelsamige Schuppenmiere, Schlammling oder Großes Büchsenkraut zu finden. Typische Rosettenpflanzen der sandigen Ufer sind Hirschsprung oder Sumpfquendel. Als Rosettenwuchs werden Wuchsformen bezeichnet, bei denen die Pflanze auf dem Boden aufliegende flache Polster ausbildet.
Auf nährstoffreichen Standorten überwiegen bisweilen meterhohe Zweizahngesellschaften. Hier findet man neben zahlreichen Gänsefuß- und Melde-Arten auch den namensgebenden Zweizahn sowie den Katzenschwanz, dessen Vorkommen sich weitgehend auf die Stromtäler von Elbe, Saale und Oder beschränkt.
Eine Charakterart der Ufersäume ist die Elbspitzklette. Kennzeichnend sind ihre großen, dreieckig-eiförmigen Blätter und ihre ovalen Früchte, die hakige Dornen tragen. Sie gehört zu den Neophyten, d. h. zu den Arten, die erst ab dem 16. Jahrhundert nach Deutschland gelangten. Nachdem sie 1830 erstmals in Europa beobachtet wurde - wahrscheinlich wurde sie aus Nordamerika eingeschleppt - hat sie sich zu einer eigenen Art entwickelt und entlang der Elbe ausgebreitet.
Heute hat diese "Stromtalpflanze" dank ihrer angepassten Verbreitungsstrategie das Tal der Elbe in seiner ganzen Länge sowie die Nebenflüsse Havel und Spree besiedelt. Die Früchte der Elbspitzklette sind schwimmfähig und gleichzeitig mit „Dornenhaken“ besetzt. Neben dem Wasser sind wohl vor allem Tiere, in deren Fell oder Federn sich die Früchte verhaken, für die Ausbreitung verantwortlich. Durch ihre besonderen Standortansprüche bleibt das Hauptvorkommen der Elbspitzklette auf die Flusstäler beschränkt.